Wer in einer klaren Nacht den sternübersäten Himmel betrachtet, ist leicht verwirrt. Unzählige Sterne funkeln am Himmel. Doch die Astronomen haben Ordnung in dieses Sternenchaos gebracht. Sich am Himmel zurechtzufinden ist leichter, als mancher denken mag. Eine gute Hilfe dabei ist eine sogenannte "Drehbare Sternkarte". Damit kann man den Sternenhimmel zu jeder Jahreszeit und Nachtstunde bestimmen. Drehbare Sternkarten gibt es in verschieden Preisklassen. Obwohl die einfacheren Modelle keine wissenschaftlichen Präzisionsinstrumente sind, leisten sie aber beim Bestimmen der Sternbilder zu allen Jahreszeiten sehr gute Dienste. Wer will, kann sich auch eine drehbare Sternkarte selber bauen. Ein einfaches Modell zum Herunterladen gibt's im WWW.
Da wir hier nicht jede drehbare Sternkarte behandeln können, beschränke ich mich im folgenden auf die "Drehbare Kosmos-Sternkarte". Sie ist unter Hobbyastronomen recht weit verbreitet. Man erhält sie für ca. 25DM in jeder Buchhandlung. Wenn Sie eine andere drehbare Sternkarte besitzen, brauchen Sie nicht gleich wegzuklicken, denn vieles kann man auch auf andere Karten übertragen.
Jede drehbare Sternkarte besteht aus einem Grundblatt und einem drehbaren Deckblatt. Manche Karten besitzen darüber hinaus noch einen Zeiger. Das Grundblatt enthält die eigentliche Sternkarte. Auf ihr sind Sterne und Sternbilder sowie einige Nebel - aber keine Planeten - abgedruckt. Die Planeten verändern jeden Tag ihre Position relativ zu den Sternen. Weil unsere Sternkarte nicht nur für ein bestimmtes Datum gelten soll, wurden die Planeten weggelassen.
Außerdem enthält das Grundblatt noch einige einige wichtige Linien:Dazu muss die augenblickliche Uhrzeit auf das Datum des Beobachtungstages gedreht werden. Auf dem Datumsring des Grundblattes wird der Kalendertag aufgesucht und mit dem Mittelstrich des Zeigers markiert. Dann wird das Deckblatt so gedreht, dass sich die Uhrzeit auf dem Urzeit-Ring des Deckblatts ebenfalls mit der Zeigerlinie deckt. Der klare Horizontausschnitt des Deckblattes zeigt nun den gerade sichtbaren Teil des Himmels.
Mit Uhrzeit ist hier die normale bürgerliche oder mitteleuropäische Zeit (MEZ) gemeint. Sie genügt für allgemeine Beobachtungen. Korrekter und genauer ist es, die für den Beobachtungsort geltende mittlere Ortszeit (MOZ) anzuwenden, denn die Zeitangaben der Karte sind immer ORTSZEIT. Unsere Einheitszeit (MEZ) ist bekanntlich die Ortszeit des 15. Längengrades, und alle von der Erddrehung abhängigen Ereignisse treten für weiter im Westen liegende Orte später ein, und zwar pro Längengrad 4 Minuten später. Für Orte westlich des 15. Längengrades geht also die mittlere Ortszeit (MOZ) gegenüber der Einheitszeit (MEZ) nach, für östlich liegende dafür vor. Für die Umrechnung MEZ nach MOZ gilt:
Die Zeitkorrektur dT kann für einige Orte in Deutschland aus den Tabellen der Astronomie - geographische Koordinaten von deutschen Städten entnommen werden.
Während der SOMMERZEIT (MESZ) muss immer - ob mit oder ohne Korrektur - durch Abzug von 1 Stunde die MESZ erst auf MEZ reduziert werden. Wenn an der Karte abgelesene Zeitangaben von MOZ in MEZ umzurechnen sind, sind die Vorzeichen umzukehren und für Sommerzeit ist dann noch 1 Stunde dazu zu rechnen .
Beispiel: Der Sternenhimmel über Göttingen am 1. Oktober, 23 Uhr MESZ.
Und so sieht der Sternenhimmel zu diesem Zeitpunkt aus:
Im Westen geht gerade der Schlangenträger unter, während im Osten die Sternbilder Stier und
Fuhrman aufgegangen sind. Im Süden stehen der Wassermann und der südliche Fisch und im
Zenit steht das unscheinbare Sternbild Eidechse. Das bekannteste Sternbild - der Grosse
Wagen - steht zu diesem Zeitpunkt tief über dem Nordhorizont.
Dazu drehen wir die Horizontlinie (OST für den Aufgang und WEST für den Untergang) des Deckblattes auf den Stern bis sich beide berühren. Am Datumsring suchen wir jetzt den Kalendertag auf und lesen dann die Uhrzeit vom Deckblatt ab.
Beispiel: wann geht Sirius am 15. Dezember in Göttingen auf?
Zuerst drehen wir das Deckblatt so weit, bis Sirius am Osthorizont aufgeht.
Jetzt halten wir das Deckblatt fest, damit es nicht verrutscht. Dann suchen wir am Datumsring
des Grundblatts den 15. Dezember auf und markieren ihn mit dem Zeiger, um dieses Datum
eventuell leichter wiederzufinden. Am Uhrzeit-Ring des Deckblatts lesen wir für die
Aufgangszeit 20 Uhr 37 MOZ ab. Jetzt müssen wir noch die Korrektur dT=-20 Minuten
anwenden, um auf MEZ zu kommen:
20 Uhr 37 MOZ - (-20 Minuten) = 20 Uhr 57 MEZ
Ich habe das Ergebnis mal mit einem Astronomie-Programm (Guide 6.0) nachgerechnet,
und eine Aufgangszeit von 20 Uhr 52 MEZ erhalten. Es ist klar, dass es eine drehbare
Sternkarte in Punkto Genauigkeit nicht mit einem Computer aufnehmen kann. Die Werte, die
man für die Aufgangszeit erhält variieren um 18 Minuten, je nach dem, ob man den
Horizont auf den oberen oder unteren Rand von Sirius dreht. Hinzu kommt, dass das Deckbaltt
für 50° Nord konzipiert ist - Göttingen liegt aber bei 51,5° Nord.
Daneben darf man folgendes nicht vergessen: zwar lässt sich der
Zeitpunkt des Aufgangs eines Gestirns mathematisch exakt berechnen, jedoch entspricht dieser
Zeitpunkt nicht unbedingt dem Moment des ersten sichtbar werden eines Gestrirns:
Häuser, Bäume, Berge, Dunst, horizontnahe Wolkenschichten etc. versperren einem recht häufig
den Bilck auf den Himmel. Eine übertriebene Genauigkeit beim Ermitteln von Auf- und
Untergangszeiten ist also unsinning. Die konkrete Sichtbarkeit eines Gestirns beginnt in
der Regel 1/2-1 Stunde später und endet auch entsprechend früher als es die auf
den idealen Horizont abgestimmten Angaben einer drehbaren Sternkarte bzw. eines
Astronomie-Programms.
Sie brauchen wegen der o.g. Nachteile Ihre drehbare Sternkarte nicht in den Müll zu werfen -
es sei denn, Sie wollen nachts draußen mit einem Laptop arbeiten. Ihrer drehbaren
Sternkarte macht Feuchtigkeit (Tau) nicht viel aus. Ob das bei Ihrem Laptop genauso ist,
würde ich nicht unbedingt ausprobieren wollen.
Zunächt wird mit dem Zeiger das Datum - wir nehmen den 1. April -
am Ring für die wahre Sonne eingestellt (graue Skala) und ihr Ort am Schnittpunkt
mit der Ekliptik (dunkelrote Linie) ermittelt. Dann drehen wir den Westhorizont des
Deckblattes über diesen Ort (siehe Abbildung). An dem Datumsring (siehe Pfeil)
und nicht am grauen Ring für die wahre Sonne lesen
wir ab, dass die Sonne am 1. April um 18h 38 MOZ untergeht .
Dunkel wird es aber erst, wenn die Sonne
tief genug unter dem Horizont steht. Also drehen wir das Deckblatt weiter, bis die Linie der
bürgerlichen Dämmerung den Ort der Sonne schneidet. Am Rand finden wir dann beim
1. April ca. 19h 05 MOZ. Zu dieser Zeit erscheinen die ersten Sterne. Völlige Dunkelheit
herrscht erst, wenn die astronomische Dämmerung zu Ende ist: dafür finden
wir ca. 20h MOZ. In gleicher Weise wird für die Beobachtungen in der
Morgendämmerung am Osthorizont des Deckblattes verfahren.
Die nach Tag und Stunde eingestellte Karte immer so halten, dass die Himmelsrichtung, in die beobachtet wird, auf der Karte nach unten zeigt. Kartenbild und Himmelsausschnitt stimmen dann überein. Es können nun die Bilder der Karte am Himmel aufgesucht werden oder es lassen sich die Sterne des Himmels mit Hilfe der Karte identifizieren.
Mit der auf Tag und Zeit eingestellten Karte gehen wir daran, uns im Gewimmel der Sternhimmels zurechtzufinden. Die Karte ist stets so zu halten, dass die Richtung, in die man beobachtet, auf der Karte unten steht! Das ergibt die beste Übereinstimmung der Karte mit dem Bild des Himmels. Da wir nie den ganzen Himmel auf einmal überblicken können, müssen wir abschnittsweise vorgehen. Fangen wir z.B. im Osten an (mit OST auf der Karte nach unten), haben wir den Himmel von NO bis SO und bis hinauf in die Zenitgegend vor aus. Beim Wechseln der Beobachtungsrichtung ist dann die Karte entsprechend zu drehen. Beim Blick nach Norden muss also der Nordhorizont auf der Karte unten sein.
Schritt für Schritt ergibt sich nun anhand der Karte ein allmähliches Zurechtfinden am Himmel. Das Auge wird sich sehr schnell daran gewöhnen, dass zum Horizont hin die Sternbilder auf der Karte gegenüber der Wirklichkeit etwas verzerrt und auseinander gezogen erscheinen. (Der Grund ist die Abbildung der Himmelskugel auf einer ebenen Fläche.) Ebenso wird es nicht allzu schwierig sein, die unterschiedliche Helligkeit der Sterne mit den unterschiedlich großen Sternabbildungen auf der Karte in Zusammenhang zu bringen. Die Zahl der Sterne wird allerdings so gut wie nie zwischen Karte und Himmel übereinstimmmen, weil sehr oft wegen zu großer Himmelshelligkeit (Mond- oder Streulicht vor Ortschaften) die schwächeren Sterne nicht sichtbar sind. Umgekehrt wird der brilliante Himmel einer dunklen Gebirgsnacht eine Fülle von Sternen zeigen, die unsere Karte aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht enthält.
Dazu einfach den Zeiger auf den Stern drehen. Die Deklination kann direkt an der Skala
am Zeiger abgelesen werden. Die Rektaszension können wir am Rektaszensionsring des
Grundblattes ablesen. So lesen wir zum Beispiel für den Stern Antares im Sternbild
Skorpion folgende Koordinaten ab: Rektaszension=16h 27m und Deklination=-26°.
Die Literaturwerte für die Himmelskoordinaten von Antares betragen:
RA= 16h 29.4 Minunten, Dekl.= -26°.4 Grad.
Himmelskörper, die sich relativ zu den Sternen bewegen, können nicht fest in eine Sternkarte eingezeichnet werden. Ihr wechselnder Ort muss von Fall zu Fall bestimmt werden. Das geht mit dem Koordinatensystem aus Rektaszension und Deklination recht einfach: Für Planeten werden die Daten aus einer Tabelle entnommen, wie sie in astronomischen Jahrbüchern enthalten sind. Das Goddard Space Flight Center bietet unter der Web-Adresse http://sunearth.gsfc.nasa.gov/eclipse/TYPE/TYPE.html Ephemerieden von Sonne, Mond und Planeten für die Jahre 1995 bis 2006 an. Diese Daten kann man leicht auf die Karte übertragen: Dazu wird auf der Rektaszensions-Skala des Grundblatts der Zeiger auf die angegebene Rektaszension gestellt und der Ort des gesuchten Gestirns auf der Mittellinie des Zeigers bei der dafür geltenden Deklination ermittelt.
Angenommen, für Mars seinen an einem bestimmten Tag Rektaszension= 7h 50m und Deklination= +22° 46´, so stellen wir den Zeiger auf 7h 50m der roten Skala. In erster Näherung finden wir Mars dann ungefähr beim Schnittpunkt von Ekliptik und Zeiger. Da die Planetenbahnen alle einwenig gegenüber der Ekliptik geneigt sind, stehen sie mal ein wenig über und mal ein weing unter der Ekliptik. Bei einer Deklination von fast +23° der Zeigerteilung (die Minuten können vernachlässigt werden) steht Mars unterhalb des Sterns Pollux in den Zwillingen ganz dicht über der Ekliptik (Pfeil).
Weil sich die Planten und auch der Mond auf oder sehr nahe der Ekliptik bewegen, genügt es in der Praxis völlig, nur die Rektaszension einzustellen und am Schnittpunkt der Zeigermittellinie mit der Ekliptik abzulesen. Und für die Sonne brauchen wir gar keine Angaben aus den Ephemeriden, weil es nur erforderlich ist, den Zeiger auf das Datum der wahren Sonne (graue Skala) einzustellen. Wir haben dann sofort den Ort der Sonne auf der Ekliptik (rote Linie).
Mit der Kombination von Rektaszension und Deklination lässt sich jeder beliebige Ort am Himmel definieren. Es kann also in der beschriebenen Weise z.B. auch ein Komet aufgefunden werden, wenn nur seine Koordinaten bekannt sind. Umgekehrt lässt sich natürlich auch ein Planet, den wir namentlich nicht kennen, dadurch identifizieren, dass sein Ort am Himmel relativ zu den Nachbarsternen einigermaßen genau abgeschäschtzt und auf die Karte übertragen wird. Mit dem Zeiger findet sich die Rektaszension, und beim schnellen Überfliegen der Planeten-Ephemeriden stellt sich bald heraus, um welchen Planeten es sich handelt.
Wann erreicht am 1. April Regulus im Löwen seinen höchsten Stand, die Kulmination? Wir drehen die Meridianlinie des Deckblattes auf den Stern und lesen wieder am Datum die Zeit ab: am 1. April finden wir ca. 21h 32m MOZ.
An Hand der Sternzeit kann man abschätzen, welcher Teil des Sternenhimmels gerade
sichtbar ist. Zum Ermitteln der Sternzeit stellt man zuerst wie gewohnt Uhrzeit und
Datum ein. Dann dreht man den Zeiger solange, bis er genau auf die Meridianline liegt.
Am Rektaszensionsring kann man nun die Sternzeit ablesen.
Beispiel: Wie lautet die Sternzeit am 15. Oktober 23Uhr 30 MOZ? Nach Einstellen von
Uhrzeit und Datum lesen wir ab, dass es gerade 1Uhr Sternzeit ist.
Der Stundenwinkel gibt an, wieviel Zeit nach dem Meridiandurchgang eines Gestirns vergangen
ist. Er ist recht nützlich, wenn man ein Stern "blind" - d.h. nur mit Hilfe der Teilkreise -
in einem Teleskop einstellen will. um den Stundenwinkel zu ermitteln, stellt man zuerst
Uhrzeit und Datum ein. Dann dreht man den Zeiger auf den entsprechenden Stern. Den
Stundenwinkel kann man mit Hilfe der Markierung am oberen Ende des Zeigers auf dem Uhrzeitring
des Deckblatts ablesen.
Beispiel: Welchen Stundenwinkel hat Rigel - der rechte Fußstern des Sternbild Orion - am 1.
Januar um 1Uhr MOZ? Wie gewohnt stellen wir Uhrzeit und Datum ein. Danach drehen wir den
Zeiger auf den Stern Rigel (siehe grüner Pfeil). An dem Uhrzeitring lesen wir 2h 23Minuten
für den Stundenwinkel ab (siehe gelber Pfeil). An der Skala des Zeigers entnehmen wir
außerdem, dass Rigel eine Deklination von ca. -8° hat. Stellen wir beide Werte an den
Teilkreisen eines parallaktisch montierten Fernrohrs ein, so sollte Rigel wenigstens im
Sucher zu sehen sein. Wegen der Ablese- und Einstellungsfehler, die bei einer drehbaren
Sternkarte immer auftreten, sollten wir nicht erwarten, Rigel schon gleich im Teleskop
zu sehen.
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© Die AVG Internet-Redaktion, letzte Änderung: 08.04.2000